Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen im Arbeitsschutz

p>Eine in der betrieblichen Praxis des Arbeitsschutzes immer wieder auftauchende Frage ist, in welchen Fällen Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen durch eine/n Ärztin/Arzt zulässig sind. Die Frage ergibt sich aus der rechtlichen Verpflichtung von Unternehmern, bestimmte Tätigkeiten nur von für diese Tätigkeit geeigneten Beschäftigten ausüben zu lassen. Zur Beurteilung der Eignung kann eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung gehören, die aber in Konflikt mit dem Recht der Beschäftigten auf informationelle Selbstbestimmung – selber entscheiden zu dürfen, welche personenbezogenen Daten sie wem weitergeben – stehen kann.

Beispiel Flurförderzeuge

Nach § 7 DGUV Vorschrift 68 dürfen mit dem selbstständigen Steuern von Flurförderzeugen mit Fahrersitz oder Fahrerstand nur für „diese Tätigkeit“ geeignete Personen beauftragt werden. Der Begriff „Eignung“ ist in dieser Vorschrift nicht definiert. Üblicherweise wird daraus jedoch eine Kombination aus fachlicher, persönlicher und gesundheitlicher Eignung verstanden. Unabhängig von der DGUV oder anderen rechtlichen Vorschriften wird die Eignung auch ein Kriterium für den Arbeitgeber sein. Beschäftige müssen ja in der Lage sein, Arbeitsaufgaben sachgerecht auszuführen. Aus Sicht des Arbeitsschutzes geht es in erster Linie darum, dass sie bei der Arbeit niemanden gefährden.

Die hierfür erforderliche fachliche Eignung hängt von der Aufgabe ab – im Fall der o.g. Flurförderzeuge fordert die DGUV Vorschrift 68 eine Ausbildung und einen Nachweis der Befähigung (Flurfördermittelschein, im Volksmund auch gerne „Staplerschein“ genannt). Die erforderlichen persönlichen Eigenschaften hängen von der Aufgabe ab und müssen vom Arbeitgeber selbst festgelegt werden; zu ihnen könnte z.B. Zuverlässigkeit gehören. Bei der gesundheitlichen Eignung wird es komplizierter; diese sind daher Thema des vorliegenden Beitrags.



Arbeitsmedizinische Vorsorge vs. Eignungsuntersuchung

In vielen Betrieben kennt man noch die „DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen“, die die „gute Praxis“ für Eignungsuntersuchungen und arbeitsmedizinische Vorsorge beschrieben haben. Für Beschäftigte, die die o.g. Flurförderfahrzeuge steuern, waren darin Untersuchung nach G25 „Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten“ vorgegeben und wurden in vielen Betrieben auch praktiziert. Mit der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) hat sich die Situation jedoch geändert.

Insbesondere seit der ersten Änderung dieser Verordnung von 2013 wird zwischen arbeitsmedizinischer Vorsorge und Eignungsuntersuchung strikt getrennt. Die in der ArbMedVV geregelte arbeitsmedizinische Vorsorge dient ausdrücklich nicht dem „Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen“ (§ 2 Nr. 5 ArbMedVV), in § 3 Abs. 3 ArbMedVV ist auch eine Trennung der arbeitsmedizinischen Vorsorge von Untersuchungen, die dem Nachweis der Eignung dienen, gefordert. (Ist diese aus betrieblichen Gründen nicht möglich, muss der Arbeitgeber den Arzt verpflichten, dem Beschäftigten die unterschiedlichen Zwecke offenzulegen. Den Unterschied kann man so beschreiben: Die arbeitsmedizinische Vorsorge dient primär dem Schutz der Beschäftigten selbst. Eignungsuntersuchungen dienen auch dem Schutz Dritter [ein Gabelstaplerfahrer etwa, der nicht ausreichend sehen kann, würde potenziell auch andere Beschäftigte gefährden]).

Eignungsuntersuchung vs. Arbeitsmedizinische Vorsorge

Grundlage der arbeitsmedizinischen Vorsorge und Eignungsuntersuchungen

Mit der ArbMedVV war eine Rechtsgrundlage für die arbeitsmedizinische Vorsorge geschafften worden. Für Eignungsuntersuchungen bestand eine solche nur in Ausnahmefällen. Damit kam die Frage auf, ob ohne eine Rechtsgrundlage überhaupt noch Eignungsuntersuchungen wie die nach G25 durchgeführt werden dürfen. Im Oktober 2018 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Stellungnahme „Zum Thema Eignungsuntersuchungen“ veröffentlicht. In diesem wurde ausgeführt, dass in einem bestehenden Arbeitsverhältnis eine Eignungsuntersuchung nur durchgeführt werden darf, wenn sie in Rechtsvorschriften gefordert wird oder „im Einzelfall erforderlich“ ist. Anlasslose Eignungsuntersuchungen seien nicht zulässig und dürften auch nicht im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen vereinbart werden.

Allgemeine Anforderungen an die Eignung der Beschäftigten – genannt z.B. wird Anhang 2 Nr. 2.5 Satz 1 Betriebssicherheitsverordnung – als auch die Ergebnisse von Gefährdungsbeurteilung sind nach diesem Text ausdrücklich kein Anlass für die Durchführung von Eignungsuntersuchungen. Die rechtliche Stellung dieses Textes, den viele Arbeitsschützer für realitätsfremd halten – wie soll man Dritte schützen, wenn auch bei festgestellten Gefährdungen Dritter z.B. durch mangelnde Sehfähigkeiten von Gabelstaplerfahrern keine Eignungsuntersuchung durchgeführt werden darf? – blieb allerdings unklar.

Die Unfallversicherungsträger hatten mit der DGUV Information 250-010 eine etwas andere Interpretation entwickelt. Dieser Text wurde im Mai 2024 unter dem Titel „Eignungsbeurteilungen in der betrieblichen Praxis“ in aktualisierter Fassung unter Berücksichtigung neuer Gerichtsurteile und datenschutzrechtlicher Anforderungen wie der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) veröffentlicht. Er stellt die aktuellen rechtlichen Grundlagen aus Sicht der Berufsgenossenschaften vor. Sie ist eine Grundlage der folgenden Darstellung. (Die „DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen“ wurden übrigens im August 2022 durch „DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen“ abgelöst. Der neue Titel soll den Empfehlungscharakter des Werkes stärker betonen. Auf die Trennung zwischen Vorsorge und Eignung wird durch eine Gliederung in zwei Teile deutlich hingewiesen. Grundsätzlich stellen sie Handlungsanleitung für die (Betriebs-)Ärzte dar und sind keine Rechtsgrundlage für die Festlegung von Eignungsuntersuchungen.)

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Eignungsuntersuchungen

Medizinische Untersuchungen können ein Mittel sein, die gesundheitliche Eignung von (potenziellen) Beschäftigten zu beurteilen. Sie beantworten also die Frage, ob Beschäftigte bestimmte Tätigkeiten ohne relevante Gefahren für Sicherheit und Gesundheit für sich selbst und Dritte ausüben können. Anders als bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge muss eine Eignungsuntersuchung nicht grundsätzlich von einem Facharzt/-ärztin für Arbeitsmedizin bzw. einem Arzt/Ärztin mit Zusatzqualifikation „Betriebsmedizin“ durchgeführt werden. Der Arbeitgeber kann damit grundsätzlich jede Ärztin/jeden Arzt seines Vertrauens beauftragen. Sinnvoll ist es jedoch, auch mit den Eignungsuntersuchungen die mit den Arbeitsplätzen vertrauten Betriebsärztinnen/-ärzte zu betrauen. Um die Eignung einer Person wirklich beurteilen zu können, sollten die Gefährdungen bei den Tätigkeiten bekannt sein. (Beschäftigte können zudem begründete Bedenken gegen die Fachkunde oder Unvoreingenommenheit des Arztes geltend machen, dann muss der Arbeitgeber ggf. aus „billigem Ermessen“ (§ 315 BGB) einen anderen Arzt beauftragen.)

Auch bei einer Eignungsuntersuchung muss der Beschäftigte zudem in erforderliche Untersuchungen einwilligen. Allerdings kann die Verweigerung bei der Eignungsuntersuchung zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen, wenn die Eignungsuntersuchung das angemessene Mittel zum Feststellen der gesundheitlichen Eignung ist (BAG 27.9.2012, 2 AZR 811/11) – und sie überhaupt zulässig ist.

Rechtsgrundlagen

Dazu muss entweder eine Rechtsgrundlage bestehen oder geschaffen werden. Rechtsgrundlagen bestehen in einigen Rechtsvorschriften, u.a. sind Eignungsuntersuchungen vorgeschrieben für:

  • Piloten gem. § 4 Luftverkehrsgesetz,
  • Flugsicherungspersonal gem. § 7 Flugsicherungspersonalausbildungsverordnung,
  • Bus-, LKW- und Taxifahrer gem. § 11 Fahrerlaubnisverordnung,
  • Lokführer gem. § 5 Triebfahrzeugführerscheinverordnung
  • Straßenbahnfahrer gem. § 10 StraßenbahnBau- und Betriebsordnung.

Gibt es eine solche Rechtsgrundlage nicht, muss sie geschaffen werden. Möglich sind z.B. tarifvertragliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen. Diese sind aber nicht in jedem Fall zulässig. Vor allem muss die Verhältnismäßigkeit beachtet werden, die den Eingriff in Grundrechte der Beschäftigten rechtfertigt.

Zentrale Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit sind, dass Eignungsuntersuchungen

  • geeignet (die angestrebte Eignungsbeurteilung kann mit Hilfe der Untersuchung erbracht werden),
  • erforderlich (unter den denkbaren Alternativen ist die vorgesehene Eignungsuntersuchung das mildeste Mittel),
  • angemessen (das Interesse des Arbeitgebers, dass seine Beschäftigten Leib und Leben anderer Personen oder auch erhebliche Sachwerte nicht gefährden, muss die Interessen der zu untersuchenden Personen überwiegen) sind. Dabei sind genetische Untersuchungen nach § 19 GenDG grundsätzlich nicht zulässig. (Im Fall begründeter Zweifel an der Eignung – siehe unten – kann sich eine Mitwirkungspflicht der Beschäftigten zudem aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben –der Nebenpflicht auf Rücksichtnahme auf eventuell betroffene Dritte.)

 

 

Anlässe für Eignungsuntersuchungen

Eignungsuntersuchungen gibt es sowohl in Form der Einstellungsuntersuchung als auch während der Beschäftigung. Einstellungsuntersuchungen sind Eignungsuntersuchungen vor Beginn der Beschäftigung. Mit ihnen soll sichergestellt werden, dass nur für die vorgesehene Tätigkeit gesundheitlich geeignete Bewerber eingestellt werden. Die Untersuchung muss sich (wie ja auch das Fragerecht über bestehende Krankheiten) auf Gesundheitsdaten beschränken, die für das einzugehende Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind, also entsprechend dem Anforderungsprofil relevant sind. Dieses Anforderungsprofil kann auf Grundlage der Erkenntnisse aus der Gefährdungsbeurteilung idealerweise unter Beteiligung der Betriebsärztin/des Betriebsarztes festgelegt werden.

Die Gefährdungsbeurteilung alleine ist keine Rechtsgrundlage für eine Einstellungsuntersuchung. Auch in eine Einstellungsuntersuchung muss der Bewerber einwilligen. Willigt der Bewerber nicht ein, soll der Arzt vermerken, dass er/sie aufgrund der Weigerung keine Aussage zur Eignung treffen kann – ob der Bewerber dennoch eingestellt wird, liegt dann im Ermessen des Arbeitgebers. Zuweisung eines neuen Tätigkeitsfeldes: Analog zur Einstellungsuntersuchung kann eine Eignungsuntersuchung auch erforderlich sein, wenn Beschäftigten eine neue Tätigkeit mit anderem Anforderungsprofil zugewiesen wird. Eignungsuntersuchungen während der Beschäftigung: Anlässe für regelmäßige Eignungsuntersuchungen können Rechtsvorschriften sein, die regelmäßige Eignungsuntersuchungen fordern, sowie

  • Vorliegen begründeter Zweifel an der Eignung (es liegen Anhaltspunkte vor, die auf mangelnde Eignung hinweisen, z.B. wiederholte Tagesschläfrigkeit bei einem LKW-Fahrer),
  • Art der konkreten Tätigkeit (Beschäftigte werden in Bereichen eingesetzt, in denen sie Dritte gefährden können). [Diese Gefährdung Dritter wird man regelmäßig – neben der Auswertung des Unfall- und Beinahe-Unfall-Geschehens auch in der Gefährdungsbeurteilung feststellen, hier weicht die DGUV also faktisch etwas von der o.g. Einschätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ab.]

Ergebnis der Untersuchung

Als Ergebnis der Eignungsuntersuchung stellt die beauftragte Ärztin/der beauftragte Arzt dem untersuchten Beschäftigten eine Eignungsbescheinigung aus, mit der diese/r dem Arbeitgeber belegen kann, dass sie/er für die Stelle geeignet ist (ggf. auch unter bestimmten Voraussetzungen, wie „Tragen einer geeigneten Sehhilfe“). Oder die Bescheinigung enthält die Informationen, dass er (ggf. vorübergehend) nicht geeignet ist. (Bei dauerhafter Nicht-Eignung von Beschäftigten sind seitens des Arbeitgebers dann weitere Überlegungen nötig – welche Tätigkeiten kann die/der Beschäftigte stattdessen ausüben? In der Praxis ist dieses Ergebnis aber selten). Eine direkte Weiterleitung des Untersuchungsergebnisses an den Arbeitsgeber ist aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nur mit weiterer schriftlicher Einwilligung der/des Untersuchten nach Durchführung der Eignungsuntersuchung zulässig; Befunde oder Diagnosen dürfen in keinen Fall weitergeleitet werden. Der Arbeitgeber wiederum muss überprüfen, ob die Bescheinigung abgegeben wurde, sonst hat er keinen Nachweis über die Prüfung der gesundheitlichen Eignung.

Beispiel aus DGUV Information 250-010

Ein Logistikunternehmen will eine Fahrerin für Flurförderzeuge einstellen, die über Ladebrücken Fahrzeuge beladen soll. In dem Bereich sind mehrere Beschäftigte mit Flurförderzeugen, mitgängergeführte Flurförderzeuge sowie Personen zu Fuß unterwegs – es besteht eine eindeutige Gefährdung anderer Personen, z.B. bei einer Einschränkung des Sehvermögens der Bewerberin. Damit kann eine Einstellungsuntersuchung (und auch eine Eignungsuntersuchung bei einem entsprechenden Wechsel der Tätigkeit) begründet werden. Da das Sehvermögen zudem mit relevanter
Häufigkeit im Laufe des Lebens eingeschränkt werden kann, ohne dass diese dem Unternehmer oder der Betroffenen im Alltag auffallen muss, kann in diesem Fall auch eine regelmäßige Eignungsbeurteilung zulässig sein.

 


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