Für die Energiewende sind Unternehmen von zentraler Bedeutung, denn sie tragen maßgeblich zum Erreichen der Klimaneutralität bei. Die Szenarien, um ein klimaneutrales Deutschland bis 2045 zu erreichen und somit das Klima zu schützen, sehen tiefgreifende Änderungen vor allem für energieintensive Betriebe vor. Die Aufgabe, konkrete Maßnahmen festzulegen, kommt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 maßgeblich der 20. Legislaturperiode zu. Energieintensive Unternehmen sollten die Entwicklungen auf jeden Fall im Blick behalten, damit die Maßnahmen sie nicht überraschen. In welche Richtung es gehen könnte, zeigt ein Vorschlag, den die Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende im Juni 2021 vorgelegt haben.
Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland
Die Veröffentlichung „Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland“ enthält 50 Empfehlungen für die 20. Legislaturperiode (2021–2025). Die Herausgeber gehören zu den führenden „Think-Tanks“ eines klimaneutralen Deutschlands. Insofern können die Empfehlungen aus der Veröffentlichung als Sammlung der Vorstellungen derjenigen, die ein solches klimaneutrales Deutschland wirklich wollen, angesehen werden. Von dem einen oder anderen Vorschlag dürfte man in den nächsten Jahren noch viel hören. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zwingt die neue Bundesregierung zudem zum Handeln. Deutschland soll demzufolge bis 2045 klimaneutral werden. Als Zwischenschritt gilt außerdem das Ziel der Reduzierung von Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990.
Die für die Energiewende im Unternehmen besonders relevanten der 50 Empfehlungen stellen wir im Folgenden vor.
Welche übergreifenden Vorschläge für die Energiewende in Unternehmen finden sich in der Veröffentlichung?
Neben Instrumentenvorschlägen, die vor allem die einzelnen Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und Gebäude betreffen, gibt es auch einige allgemeine Ideen, die die Verfasser vorschlagen.
Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG)
Das KSG überlässt es im Fall eines Verfehlens der jährlichen Sektorziele dem zuständigen Bundesministerium, die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen (insb. die Sofortprogramme nach § 8 KSG) festzulegen. Die Autoren schlagen dagegen vor, für diesem Fall automatische Nachsteuermechanismen (insb. Erhöhung des CO2-Preises) einzuführen. Der CO2-Preis sei noch weit davon entfernt, die tatsächlich von CO2-Emissionen verursachten Kosten widerzuspiegeln. Diese liegen nach Umweltbundesamt bei 195 Euro pro Tonne CO2. Die Erhöhung des CO2-Preises kann der Bundestag außer Kraft setzen, wenn die Bundesregierung andere, genauso wirksame Maßnahmen zur Schließung der Lücke vorlegt.
Reform von Steuern, Abgaben Umlagen und CO2-Bepreisung
Unabhängig von dem o.g. Mechanismus ist eine Erhöhung des CO2-Preises im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) sinnvoll. Ab 2023 auf 60 Euro je Tonne CO2, ab 2025 soll ein Mindestpreis von 80 Euro und ein Maximalpreis von 100 Euro gelten. Der Maximalpreis soll in den Folgejahren um 10 Euro pro Jahr steigen. Um Mehrbelastungen für untere Einkommensgruppen zu vermeiden, soll eine Erhöhung des Klimawohngelds erfolgen. Außerdem soll die EEG-Umlage abgeschafft sowie die Kosten für erneuerbare Energien aus dem Energie- und Klimafonds finanziert werden. Mit der Gründung des Fonds im Jahr 2012 sollte die Energieversorgung Deutschlands, mithilfe erneuerbarer Energien, für das Klima verträglicher gemacht werden. Die Einnahmen aus dem BEHG fließen in diesen Fonds. Auch hiervon profitieren untere Einkommensgruppen überproportional. Vor allem aber werden strombasierte Technologien bei Strompreisen ohne EEG-Umlage wirtschaftlich lohnender und lösen zudem verstärkt fossile Energien ab.
Weitere passende Blogbeiträge und Podcast Episoden
Entdecken Sie auch unsere weiteren Blogbeiträge zum Klimamanagement oder hören Sie in unseren kostenlosen Podcast rein und erhalten Sie Expertenwissen unter anderem zu diesen Themen:
Verbot fossiler Energieträger ab 2045
Um Unternehmen deutlich zu machen, dass eine Energiewende unvermeidbar ist, sollte schon 2022 gesetzlich verankert werden, dass ab 1.1.2045 in Industrieanlagen der Einsatz fossiler Brennstoffe nicht mehr zulässig ist. Ausnahmen gelten nur im Fall von CCS/CCU (Carbon Capture and Storage bez. Carbon Capture and Utilization), sofern die Treibhausgase dabei komplett abgeschieden und gespeichert bzw. genutzt werden. Das Verbot soll auch für Verkehr sowie Heizungsanlagen gelten.
Beschleunigter Einsatz von Wasserstoff für eine effektive Energiewende im Unternehmen
Wasserstoff ist auf absehbare Zeit nur in begrenzten Mengen verfügbar und deutlich teurer als fossile Energien. Deshalb wünschen sich die Autoren eine Erhöhung des Elektrolyseziels auf 10 GW im Jahr 2030 und den Aufbau eines Wasserstoff-Startnetzes für Industriezentren. Außerdem schlagen sie mehr staatliche Mittel für einen schnellen Markthochlauf in der Stahl- und Chemieindustrie (wo zahlreiche Anlagen zur Reinvestition anstünden) sowie bei Hochtemperaturprozessen, Gaskraftwerken, Schiffs-, Luft- und Schwerlastverkehr über weite Strecken vor.
Nachhaltigkeitsberichterstattung
Für große Unternehmen sollte es verpflichtend sein, im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung über Klimarisiken und Risiken aus einem CO2-intensiven Geschäftsmodell zu berichten. Grundlage sind die Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosure (TCFD).
Video: Was ist Klimaneutralität?
Alle unsere YouTube Videos finden Sie hier auf dem YouTube Kanal der VOREST AG!
Welche Vorschläge gibt es für die Energiewirtschaft?
Zahlreiche Aufgaben kommen auf die Energiewirtschaft zu. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung soll bis 2030 auf mindestens 70 Prozent wachsen, dazu ist der Ausbau auf 80 GW Onshore-Windenergie, 25 GW Offshore-Windenergie und 150 GW Photovoltaik erforderlich. Damit Unternehmen dieses Ziel für die Energiewende erreichen können, sollen u.a.:
- ergänzend zum europäischen Emissionshandel ein nationaler CO2-Mindestpreis für den Stromsektor eingeführt werden,
- zwei Prozent der Flächen an Land für die Windenergie bereitgestellt und Genehmigungsverfahren für die Energiegewinnung durch Wind an Land neu geregelt werden,
- Größenbegrenzungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen entfallen,
- für Neubauten sowie Dachsanierungen eine Pflicht zur Errichtung von Solaranlagen eingeführt werden.
Wie sehen die Vorschläge für den Sektor Industrie aus?
Um die Energiewende in Unternehmen voranzutreiben, gibt es aber auch viele Anforderungen an den Bereich Industrie. Die Abbildung gibt Ihnen einen kurzen Überblick, ergänzend dazu finden Sie darunter ausführlichere Erklärungen zu den einzelnen Punkten.
Einführung von Klimaschutzverträgen für die Energiewende in Unternehmen
Um bei den anstehenden Reinvestitionen in der energieintensiven Industrie klimaneutrale Technologien einführen zu können, sollten die Differenzen zu den Anschaffungs- und Betriebskosten konventioneller Anlagen durch die öffentliche Hand gedeckt werden. Ein Gesetzesrahmen für entsprechende „Klimaschutzverträge“ (auch: Carbon Contracts) sollte dafür einen Rahmen schaffen. Er regelt dann die Förderung von Kapital- und Betriebskosten. Als Gegenleistung für die Zahlung müssen Unternehmen die Emissionsminderungen nachweisen. Als geeignet für die Förderung mit Klimaschutzverträgen gelten etwa die Stahlerzeugung auf Basis der Eisendirektreduktion mit erneuerbarem Wasserstoff (Einstieg mit Erdgas und ggf. CCS-basiertem Wasserstoff möglich), der Einsatz von Wasserstoff zur Ammoniakherstellung sowie die Zementproduktion mit CO2-Abscheidung (Oxyfuel-Verfahren).
Investitionen fördern
Ein immer älter werdender Anlagenbestand in der Industrie ist ein Hindernis für die Erreichung der Klimaziele und die Energiewende im Unternehmen. Daher ist die Erhöhung und Verlängerung der Bundesförderung für Energieeffizienz in der Wirtschaft notwendig. Damit könnte man die Umrüstung auf hocheffiziente Querschnittstechnologien wie Pumpen, Ventilatoren und Kompressoren sowie der Wechsel auf erneuerbare Prozesswärme erleichtern. Die Abschreibungsfristen für Investitionen, die den spezifischen CO2-Ausstoß um mehr als 20 Prozent senken, sollen um fünf Jahre verkürzt werden, um Investitionen zu Förderung der Energieeffizienz anzureizen.
Kreislaufwirtschaftsstrategie und Nachhaltigkeitskriterien für Produkte und die Energiewende von Unternehmen
Global verursacht die Materialwirtschaft rund die Hälfte der Treibhausgasemissionen. Geschlossene Stoffströme können diesen Anteil reduzieren. Aus diesem Grund setzt auch die EU bei ihrem Green Deal auf eine „Circular Economy“. Deutschland sollte bis 2023 eine Circular-Economy-Strategie entwickeln, um die Wieder- und Weiterverwendung von Grundstoffen wie Stahl, Kunststoffen und Zement zu erleichtern. Dazu sind eine regulatorische Berücksichtigung neuer Verfahren wie chemisches Recycling oder Zementrecycling sowie eine Überarbeitung von Vorschriften und Normen erforderlich. Die standardisierte Zusammenfassung von Informationen über eingesetzte Materialien und Komponenten, Entsorgung etc. in einem digitalen Produktpass, soll de Kreislaufführung erleichtern. Um Leitmärkte für grüne Materialien und Produkte zu schaffen, sollten im ersten Schritt Umweltdeklarationen verbindlich werden. Diese können im zweiten Schritt z.B. durch Grenzwerte für Lebenszyklusemissionen ergänzt werden. Die öffentliche Beschaffung sollte konsequent auf nachhaltige Produkte setzen.
CCS-Strategie erarbeiten
Auch mit vollständiger Umstellung auf die erneuerbaren Energien gibt es immer noch CO2-Emissionen, z.B. Prozessemissionen aus der Zementindustrie. Diese nicht vermeidbaren Prozessemissionen, die für 2045 auf 16 Millionen Tonnen CO2-e geschätzt werden, müssen abgeschieden und gespeichert werden. Restemissionen, die nicht abgeschieden und gespeichert werden können, müssen kompensiert werden, z.B. durch Bioenergienutzung mit CO2-Abscheidung und Speicherung oder Kohlenstoffspeicherung in langlebigen Produkten. Dazu bedarf es neben der Abscheidetechnologien an den Standorten selbst eine geeignete CO2- Infrastruktur zum Transport und zur Lagerung. Eine europäische Lösung ist das Ziel. Norwegen zum Beispiel arbeitet an einer Lösung ausdrücklich auch für ausländische Kunden.
Ihre Ausbildung zum Klimamanagement
Präsenzschulung / Virtual-Classroom-Training: In unserem Seminar Einführung Klimamanagement erhalten Sie Grundlagenwissen zum Thema Klimaschutz im Unternehmen. Im Anschluss an die Ausbildung sind Sie in der Lage, das Thema Klimaschutz und Klimamanagement in seinen Grundzügen in Ihrer Organisation anzugehen!
E-Learning Kurs: Alternativ können Sie diese Schulung auch als E-Learning Kurs durchführen. Sparen Sie Zeit und lernen Sie in Ihrem optimalen Tempo. Werfen Sie hier direkt einen Blick in den kostenlosen Demokurs!
Nationale Biomasse-Strategie für eine erfolgreiche Energiewende im Unternehmen
In diesem Zusammenhang ist auch die Entwicklung einer nationalen Biomasse-Strategie erforderlich. Sie schafft auf Grundlage einer Analyse des nachhaltigen Biomassepotenzials einen verbindlichen Handlungsrahmen. Nur strenge Nachhaltigkeitskriterien können sicherstellen, dass die Biomassenutzung nicht auf Kosten von Natur und Artenvielfalt geht.
Die Ideen für den Verkehrssektor
Um den Bestand an Elektro-PKWs bis 2030 auf 14 Millionen zu erhöhen, sollten Kaufprämien für Niedrigemissionsfahrzeuge beibehalten werden und sich die PKW-Steuer am CO2-Ausstoß orientieren. Auch bei Dienstwagen sollen Subventionswirkungen für Verbrenner-PKW beseitigt werden, um eine Energiewende im Unternehmen zu ermöglichen. Außerdem sollte eine deutliche Verschärfung von europäischen CO2-Emissionsnormen bis 2030 deutlich erfolgen. Bis 2032 sollte das Ende des Verbrennungsmotors vollzogen werden. Um den LKW-Verkehr zu elektrifizieren, sollten emissionsfreie Fahrzeuge entlastet und für die Maut eine CO2-Komponente eingeführt werden. Unternehmen sollten durch die Aufnahme in Ladeinfrastruktur-Förderprogramme sowie vereinfachter energierechtlicher Abgrenzung von Ladevorgängen an der Förderung der Elektromobilität beteiligt werden.
Maßnahmen-Vorschläge für den Sektor Gebäude
Alleine um die Zwischenziele des Sektors bis 2030 (max. 67 Mio. t CO2) zu erreichen, müsste man den Einsatz von Erdöl halbieren, den von Erdgas um mehr als 40 Prozent reduzieren und den Anteil der Wärme aus erneuerbaren Energien auf mindestens 40 Prozent steigern. Es ist so zu sagen eine Wärmewende nötig. Daher sollten folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
- Ab 2024 soll der Standard „Effizienzhaus 40“ für Neubauten verbindlich werden. Mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizungen dürfen nicht mehr eingebaut werden.
- Für wesentliche Umbauten sollte ab 2024 der Standard „Effizienzhaus 70“ gelten.
- Ordnungsrechtlich vorgeschriebene Maßnahmen bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sollen berücksichtigt werden, um Gebäudeeigentümer mit den höheren Kosten nicht alleine zu lassen.
- Bei Eigentümerübergang (Verkauf oder Vererbung von Gebäuden) soll die Erstellung eines Sanierungsfahrplans zur Pflicht werden. Dies soll auch für die Neuvermietung von Ein- oder Zweifamilienhäusern gelten.
Weitere Vorschläge umfassen u.a. eine kommunale Wärmeplanung, um eine klimaneutrale (z.B. netzgestützte) Wärmeversorgung zu erleichtern.
Kostenloser Podcast -
Klima, Umwelt, Energie und Arbeitsschutz
Kostenlose Vorlage -
Erstellung einer Prozessbeschreibung
Kostenloser E-Kurs -
Was ist CSRD und ESRS?
Unsere Serviceangebote im Bereich Klimamanagement
- Grundlagenwissen zum Thema: Was ist Klimamanagement - Definition, Strategie & Ziele
- Ausbildungen & Weiterbildungen: Weiterbildung Klimaschutz & Klimamanagement
- E-Learning Kurse: Online Schulungen zum Klimaschutzmanagement
- Inhouse-Training: Klimamanagement Inhouse Schulungen bei Ihnen im Unternehmen
- Wissensbausteine: Expertenwissen zum Klimaschutzmanagement
- Fachzeitschrift PRO SYS: Monatliche Fachinfos inklusive Musterdokumente
Ich helfe Ihnen gerne weiter!
Kati Schäfer
Produktmanagement Training & PRO SYS
Tel.: 07231 92 23 91 - 0
E-Mail: kschaefer@vorest-ag.de