Reform des EU Emissionshandels ETS

Der EU Emissionshandel (EU ETS, European Union Emissions Trading Scheme) ist ein zentrales Instrument des Klimaschutzes in der EU. 2003 beschlossen und am 1.1.2005 eingeführt, verpflichtet er vom EU ETS betroffene Unternehmen, für Kohlendioxid-Emissionen Emissionsrechte (Zertifikate) vorzuhalten. Durch die Begrenzung der Zahl der ausgegebenen Zertifikate können die Emissionen systematisch reduziert werden. Bisher betrifft der EU ETS etwa 40 Prozent der Treibhausgasemissionen der teilnehmenden Länder. Mit der Reform des EU ETS soll dieser Anteil auf 60 Prozent ausgeweitet werden, weiterhin sollen bekannte Probleme abgestellt werden.

Der EU Emissionshandel

Der EU Emissionshandel wurde mit der Emissionshandelsrichtlinie (RL 2003/87/ EG) eingeführt, die in Deutschland 2004 mit dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz umgesetzt wurde. Neben den EU-Staaten nehmen seit 2008 auch die EWR-Staaten Liechtenstein, Island und Norwegen am EU ETS teil; es ist zudem mit dem Schweizer Emissionshandelssystem verknüpft (linking). Anfänglich galt es für die Kohlendioxid-Emissionen aus der Stromerzeugung mit Wärmekraftwerken ab 20 MW elektrischer Leistung sowie aus 5 Industriebranchen:

  • Eisen- und Stahlverhüttung,
  • Kokereien, Raffinerien und (seit 2008) Cracker,
  • Zement- und Kalkherstellung,
  • Glas-, Keramik- und Ziegelindustrie,
  • Papier- und Zelluloseproduktion.

2013 wurde er auf weitere Branchen ausgeweitet:

  • Chemische Industrie,
  • Nichteisenmetalle,
  • Sonstige Verbrennung,
  • Mineralverarbeitende Industrie (was bedeutete, dass neben der bereits erfassten Zement- und Kalkherstellung sowie Glas-, Keramik- und Ziegelproduktion auch Gips- und Mineralfaserherstellung in den EU ETS einbezogen wurden).

Außerdem wurden die Treibhausgase Distickstoffoxid (N2O) und Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) einbezogen. Seit 2012 nimmt zudem der Flugverkehr am EU Emissionshandel teil (bis 2023 allerdings im Wesentlichen auf innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums [EWR] beschränkt). Insgesamt trifft das in den 30 teilnehmenden Staaten auf etwa 11.000 Anlagen (bzw. Luftverkehrsunternehmen) zu, von denen etwa die Hälfe der Kohlendioxid-Emissionen der teilnehmenden Staaten freigesetzt werden. Diese machen wiederum 80 Prozent der Treibhausgasemissionen aus, so dass der Emissionshandel die in der Einleitung genannten 40 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen abdeckt.



Cap and trade

Das Prinzip des EU Emissionshandels beruht darauf, dass der Anlagenbetreiber für jede Tonne emittiertes CO2 ein Emissionszertifikat vorlegen muss, mit dem er das notwendige Emissionsrecht nachweisen kann. (Die Zertifikate müssen bis Ende April für die Emissionen des Vorjahrs bei der zuständigen Stelle, in Deutschland der Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt, abgegeben werden).

Die Anzahl der ausgegebenen Emissionszertifikate können die Emissionen begrenzen. Sollen die Emissionen also sinken, werden entsprechend der gewünschten Emissionsgrenzen („cap“) einfach weniger Emissionszertifikate ausgegeben. Anfänglich wurden die Emissionszertifikate (zum größten Teil kostenlos) von den teilnehmenden Staaten ausgegeben. Seit 2013 werden sie direkt von der EU ausgegeben, nun verstärkt versteigert anstatt kostenlos ausgegeben. (Im ursprünglichen Kommissionsvorschlag war vorgesehen, dass bereits 2020 alle Zertifikate versteigert werden sollten. Dies schwächte der EU Rat aus Sorge vor Wettbewerbsnachteilen der beteiligten Unternehmen gegenüber Anbietern, die keinem Emissionshandel unterliegen, ab.)

Die Emissionszertifikate sind handelbar („trade“). Nicht benötigte Zertifikate können also verkauft werden, fehlende Zertifikate gekauft werden. Damit bildet sich ein von Angebot und Nachfrage bestimmter Marktpreis für CO2-Emissionen. Wenn es für Unternehmen billiger ist, CO2-Emissionen zu reduzieren als Emissionszertifikate zu kaufen, würden sie dies tun (so zumindest die Hoffnung der Anhänger des ETS). Damit würden die Emissionen dort reduziert, wo es am wenigsten kostet. Dies ist ein wichtiges Argument der Befürworter des Emissionshandels gegenüber der anderen Alternative, CO2-Emissionen mit einem Preis zu belegen, einer CO2-Steuer.

Erfahrungen mit dem EU Emissionshandel - EU ETS

In der ersten Phase des Emissionshandels stieg der Preis für ein Emissionszertifikat anfänglich auf rund 30 Euro, fiel aber im Frühsommer 2007 auf 0 Euro. Über die Ursachen gingen die Ansichten auseinander. Zum einen könnte dies daran gelegen haben, dass schlichtweg zu viele Emissionszertifikate ausgegeben wurden („Überallokation“), zum anderen auf unerwartete Einsparungen der Industrie zurückzuführen gewesen sein, die z.T. als Erfolg des ETS gewertet wurden (da Investitionen von erwarteten – höheren – CO2-Preisen ausgelöst worden seien). Ein Teil der Reduktionen wurde aber auch durch andere Förderprogramme, etwa zum Ausbau der erneuerbaren Energien, ausgelöst. Diese führten dann etwa bei Betreibern von Kohlekraftwerken, die auf Grundlage der historischen Emissionen viele kostenlose Zertifikate erhalten hatten, zu Zusatzgewinnen, da sie nicht benötigte Zertifikate verkaufen konnten.

Seit der dritten Phase des Emissionshandels (ab 2013) wurden daher die kostenlosen Zertifikatszuteilungen für die
Stromerzeugung (mit Ausnahme einiger osteuropäischer Länder) beendet, außerdem erfolgte die kostenlose Zuteilung nicht mehr auf Grundlage der historischen Emissionen eines Betreibers, sondern auf Grundlage der besten verfügbaren Technologie (BAT – best available technology).

Es gab also kostenlose Zertifikate nur noch in dem Maß, wie es eine moderne und effiziente Anlage benötigen würde. Außerdem schuf man 2014 die Möglichkeit, die Versteigerung von Zertifikaten in die Zukunft zu verschieben, um den Zertifikatepreis zu stützen („backloading“, VO (EU) 176/2014). Dennoch blieb der Preis für die Emissionszertifkate unter 10 Euro. Daher beschloss die EU 2018 (RL 2018/410) eine Marktstabilitätsreserve einzuführen. Die Zertifikate aus dem backloading überführte man in diese Marktstabilitätsreserve , die Zahl der in Umlauf befindlichen Zertifikate begrenzte die EU. Tatsächlich stieg der Preis bis Januar 2022 auf 90 Euro an, und bewegte sich seither zwischen 65 und 98 Euro.

Neu: CO2-Grenzausgleich (CBAM)

Von Anfang an waren die kostenlosen Emissionsberechtigungen umstritten. Mögliche Verwerfungen in der Wirtschaft, aber auch der Gefahr eines Abwanderns betroffener Unternehmen (die sog. carbon leakage, eine Verlagerung anstatt einer Verminderung von Emissionen) standen im Raum. Für Kritiker verminderten sie dagegen den Anreiz, in Emissionsreduzierungen zu investieren. Um die kostenlose Zuteilung beenden zu können, erdachte man sich daher einen anderen Mechanismus zum Schutz der europäischen Industrie im globalen Wettbewerb: den CO2-Grenzausgleich (oder CBAM: carbon border adjustment mechanism). 2021 machte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine entsprechende Verordnung (2021/0214 (COD)): Importeure betroffener Waren in den EWR müssen demnach zukünftig CBAM-Zertifikate abgeben, die den herstellungsbedingten CO2-Emissionen entsprechen.

Dabei werden im Dritt-(=Herstellungs-)land gezahlte Kohlenstoffpreise und kostenlose Zuteilungen in der EU durch entsprechende Kürzungen bei den benötigten CBAM-Zertifikaten berücksichtigt. Zwischen 2023 und 2025 ist eine Übergangsphase vorgesehen, in der Importeure vierteljährlich einen CBAM-Bericht mit Informationen über eingeführte Volumen, damit verbundene Emissionen, im Drittland gezahlte Kohlendioxidpreise übermitteln müssen, mit dem aber noch keine Pflicht zur Abgabe von CBAM-Zertifikaten verbunden ist. Im Dezember 2022 konnte nach langen Beratungen eine Einigung mit dem EU-Parlament über den Entwurf hergestellt werden. Neben den bereits von der EU-Kommission vorgesehenen Importen von Eisen und Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel und Strom sollen auch Importe von (mit Kohle oder Gas hergestelltem) Wasserstoff, indirekte Emissionen „unter bestimmten Bedingungen“ und einige nachgelagerte Produkte (etwa Schrauben und ähnliche Artikel aus Eisen und Stahl) unter die CBAM-Regelungen fallen. Bis 2030 sollen alle Güter eingezogen werden, die auch unter den EU Emissionshandel fallen.

Die Übergangszeit soll am 1.10.2023 beginnen. Grundsätzliche Kritik am CO2-Grenzausgleich äußerte etwa der Verband der Chemischen Industrie: diese reguliere nur Importe, für Exporte bestehe weiter ein Carbon-Leakage-Risiko. EU Parlament und Rat müssen dem Entwurf noch formell zustimmen, bevor er in Kraft treten kann.

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Reform des EU ETS

Der CO2-Grenzausgleich hängt inhaltlich als Voraussetzung für das Ende der kostenlosen Emissionszertifikate eng mit dem EU Emissionshandel zusammen. Er ist aber nicht Teil desselben. Auch das EU ETS wollte die EU im Rahmen des Fit for 55-Programms überarbeiten. Entsprechende Vorschläge machte die EU-Kommission im Juli 2021. Damit soll sich u.a. das EU ETS an das europäische Ziel, die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, anpassen. Umstritten zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat war die Frist für den Ausstieg aus der kostenlosen Verteilung von Emissionszertifikaten (von der u.a. Zementherstellung, chemische Industrie und Stahlverhüttung weiterhin profitieren). Das EU Parlament wollte ein Ende bis 2032, der Rat bis 2036. Außerdem sollte das EU ETS um ein zweites System (EU ETS2) für Gebäude und Straßenverkehr erweitert werden.

Dieses war allerdings sehr umstritten – Kritiker fürchteten, dass es in einer Zeit ohnehin steigender Lebenshaltungskosten die Inflation weiter anheizen würde und forderten eine Verschiebung auf später oder – wie etwa Polen – den Ausschluss privater Haushalte aus dem EU ETS2. Im Dezember 2022 einigten sich EU Kommission, Rat und Parlament auf folgendes Vorgehen:

  • das EU ETS wird auf weitere Wirtschaftszweige, u.a. den Seeverkehr und die Abfallverbrennung, ausgeweitet,
  • die Emissionen der am EU ETS beteiligten Wirtschaftszweige fallen bis 2030 um 62 % ggü. 2005 (bisher betrug das Ziel 43 %),
  • das EU ETS2 für Gebäude und Straßenverkehr wird 2027 eingeführt; zur Entlastung der Haushalte wird ein sozialer Klimafonds eingerichtet,
  • sind die Energiepreise außergewöhnlich hoch, kann die Einführung des EU ETS2 um ein Jahr bis 2028 verschoben werden,
  • die Zuteilung kostenloser Zertifikate wird bis 2030 fast halbiert und bis 2034 beendet.

Weiter beschloss man einen Innovationsfonds (zur Förderung zukunftsweisender Investitionen in grüne Technologien) und einen Modernisierungsfonds (zur Unterstützung einkommensschwacher Länder) einzurichten. Auch diese Einigung muss das EU-Parlament und der Rat noch formell absegnen.

Grenzen des EU Emissionshandels

Wenn der Emissionshandel sich bei großen Industriebetrieben bewährt hat und zudem eine Ausdehnung auf Gebäude und Straßenverkehr angedacht ist – warum reguliert man nicht einfach alle Treibhausgasemissionen mittels Emissionshandel? Das liegt vor allem daran, dass bei vielen Betroffenen und vergleichsweise geringen Emissionen der einzelnen Betroffenen das Kosten-Nutzung-Verhältnis nicht mehr passt. Daher wurden im nationalen Brennstoffemissionshandel in Deutschland ja auch die Brennstoffhändler (und nicht die einzelnen Energieverbraucher) adressiert. Der EU ETS2 löst diesen dann ab. Die Emissionen müssten ja erfasst, Emissionszertifikate erworben und abgegeben werden etc. Daher wird der Klimaschutz auch in Zukunft nicht auf ordnungsrechtliche Mittel verzichten können.

 


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