Was ist Klimaneutralität und wie erreicht man sie?

Klimaneutralität heißt, dass ein Gleichgewicht zwischen der Emission von Kohlenstoff und dessen Aufnahme aus der Atmosphäre hergestellt wird. In Deutschland ist als nationales Klimaschutzziel die Netto-Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 im Klimaschutzgesetzt (§3) festgelegt. Die Bundesregierung strebt nach dem Jahr 2050 netto-null-Emissionen an. Dieses politische Ziel eines „klimaneutralen“ Deutschlands erfordert auch die Klimaneutralität im Unternehmen. Damit Unternehmen klimaneutral werden können, muss zuerst einmal verstanden werden, was der Begriff genau bedeutet.

Was ist „Klimaneutralität?“

Laut Paragraf 3 des Klimaschutzgesetzes lautet die Klimaneutralität Definition von wie folgt: „[Klimaneutralität ist das] Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen (THG) aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken“. Man könnte aus dieser Definition also schließen, dass Netto-Treibhausgasneutralität identisch ist mit Klimaneutralität. Aber dem ist so nicht. Sieht man sich etwa die Zusammenfassung („Summary for Policymakers“) des sechsten Klimareports des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) an, werden dort als anthropogene, also vom Menschen verursachte Faktoren der Klimaänderung die zwei Folgenden beschrieben:

  • Die Emission von THGen: Diese haben in der Summe einen wärmenden Effekt.
  • Die Emissionen von Aerosolen (v.a. Schwefeldioxid): Diese haben in der Summe einen kühlenden Effekt, der der Klimaerwärmung also entgegenwirkt.

Klimaneutral müsste daher eigentlich heißen, dass sowohl die Emissionen von Treibhausgasen als auch die von Aerosolen, die das Klima beeinflussen, beendet werden. Ist dies nicht möglich, muss zumindest so eine Eingrenzung erfolgen, dass sich der wärmende Einfluss der Treibhausgase und der kühlende Einfluss der Aerosole ausgleichen. Gelingt es nicht, die THGe ausreichend zu reduzieren, kann man das Ziel theoretisch auch erreichen, indem man zusätzliche kühlende Aerosole in die Atmosphäre einbringt. Solche Überlegungen gibt es im Rahmen des „Geoengigeering“ tatsächlich. Sie sind jedoch hoch umstritten, da die Aerosole neben der Klimawirkung auch noch andere Umweltauswirkungen haben. Man sieht aber, Klimaneutralität ist mehr ist als Netto-Treibhausgasneutralität.



Eine Norm zur Definition von „Klimaneutralität“

Wie Sie weiter oben schon lesen konnten, ist es nicht ganz eindeutig, wie „klimaneutral“ definiert werden kann. Es gibt zum einen die CO2-Neutralität. Dabei geht es wirklich nur darum, die reinen CO2-Emissionen zu vermeiden/kompensieren. Dann gibt es die Treibhausgasemissionen, hierbei kommen zur Vermeidung/Kompensation von CO2 noch alle weiteren Treibhausgase (z.B. Methan, Lachgas, etc.) hinzu. Dabei ist die THG-Neutralität heutzutage auch gut als Ziel erreichbar. Über der CO2- und THG-Neutralität steht schließlich die Klimaneutralität. Sie umfasst alle menschlichen Einflussfaktoren und ist sehr schwer zu erreichen. Damit der Begriff „Klimaneutralität“ eine einheitliche Definition erhält, arbeitet die International Organization for Standardization (ISO) seit 2020 an der Norm ISO 14068 „Greenhouse gas management and related activities – Carbon neutrality“. Bis dahin wird sich, schon mangels einer allgemein anerkannten Definition, hinter dem Begriff Klimaneutralität wohl meistens die THG-Neutralität verbergen.

Klimaneutralität vs. THG- und CO2-Neutralität

Welche sind die wichtigsten Treibhausgase?

Zu den wichtigsten Treibhausgasen gehört Kohlendioxid (CO2). Es allein hat einen Anteil von global mehr als drei Vierteln an der Erderwärmung. Kohlendioxid entsteht bei der Verbrennung des in fossilen Brennstoffen enthaltenen Kohlenstoffs („energiebedingte Emissionen“), durch die Abholzung von Wäldern (v.a. durch Brandrodung) sowie beim Abbau von Biomasse. Das zweitwichtigste Treibhausgas ist Methan. Methan entsteht beim Abbau von organischem Material in sauerstofffreien Umgebungen, z.B. im Magen von Wiederkäuern wie Rindern, beim Nassreisanbau oder auf Mülldeponien. Ein weiteres wichtiges Treibhausgas entsteht in der Landwirtschaft, nämlich beim Abbau von mineralischem Stickstoffdünger. Es handelt sich dabei um das Distickstoffoxid (N2O), welches auch als Lachgas bekannt ist. Bedeutsame Treibhausgase sind auch die als Treibgase und Kältemittel eingesetzten Fluorkohlenwasserstoffe (FKW, bzw. HFC (nach engl. hydrofluorocarbon)) sowie die in der Aluminium-Industrie entstehenden und als Imprägniermittel in Outdoor- und Arbeitskleidung eingesetzten perfluorierten Kohlenwasserstoffe (PFC). Auch das als Isolationsgas in Hochspannungsschaltern verwendete Schwefelhexafluorid (SF6) gehört zu den wichtigen THGen.

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Der Weg zur Klimaneutralität

Wie schon die Definition der Treibhausgasneutralität aus dem Klimaschutzgesetz zeigt, gibt es zwei Wege, Treibhausgase zu vermeiden. Diese erläutern wir Ihnen im folgenden Abschnitt.

  • Weg 1: Die Vermeidung von Treibhausemissionen aus (anthropogenen) Quellen
    Dies bedeutet, dass anstelle fossiler Energieträger erneuerbare Energieträger zum Einsatz kommen. Sie verhindern die Freisetzung von Kohlendioxid bei der Energieumwandlung. Hierfür muss in erneuerbare Energien, Energieeffizienz oder in andere saubere und kohlenstoffarme Technologien investiert werden.
  • Weg 2: Der Abbau freigesetzter Emissionen durch „Senken“
    Senken sind natürliche Systeme, die mehr Treibhausgase aufnehmen als sie abgeben. Dazu gehören z.B. Moore, Böden und Ozeane. Ein weiteres bekanntes Beispiel sind Wälder / Bäume: Diese nehmen bei der Fotosynthese Kohlendioxid auf und zerlegen es. Der Kohlenstoff wird von den Bäumen als Baustoff verwendet und erst beim Abbau wieder freigesetzt. Senken sind wichtig, um unvermeidbare Restemissionen der Gase zu binden, denn laut Schätzungen entfernen natürliche Senken zwischen 9,5 und 11 Gigatonnen (eine Gigatonne entspricht einer Milliarde) CO2 pro Jahr.

Klimaneutralität durch Verminderung und Kompensation

Bei der Klimaschutzkompensation geht es genau darum, solche Senken zu schaffen bzw. gefährdete Senken wie Wälder zu erhalten. So können sie weiterhin Kohlendioxid aufnehmen. Klar ist dabei jedoch auch, dass die Senken auf der Erde bei weitem nicht ausreichen, um z.B. nur die globalen Emissionen von Kohlendioxid aufzunehmen. Das sind geschätzt ca. 36,4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (Zahlen aus dem Jahr 2021). Für Wälder etwa steht nicht unbegrenzt Fläche zur Verfügung und langfristig wird das Wachstum durch den Mangel an anderen Nährstoffen wie Phosphor begrenzt. Außerdem sind sie auch durch Brände, Landnutzungsänderungen oder Abholzung gefährdet. Dadurch erfolgt dann wieder die Abgabe des gespeicherten Kohlenstoff in die Atmosphäre. Ozeane sind die größten natürlichen Senken, doch hier führt die Aufnahme von diesen großen Mengen an CO2 zur Versauerung.

Deshalb muss die Reihenfolge auf dem Weg zur Klimaneutralität heißen: Die Emissionen an Treibhausgasen soweit wie möglich vermindern, nur für nicht vermeidbare Emissionen kommt eine Kompensation in Betracht.


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Warum ist eine Klimaschutzstrategie für Unternehmen wichtig?

Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz im Unternehmen gibt es einige unternehmenspolitische Fragen. Z.B. „Was heißt klimaneutrales Deutschland eigentlich für unsere Produktpalette?“ oder „Was bedeutet Klimaschutz für unsere Energieversorgung?“. Ein Unternahmen sollte sich mit diesen rechtzeitig beschäftigen und sich somit Gedanken über eine Klimaschutzstrategie machen. Eine Klimaschutzstrategie beinhaltet alle Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen des Unternehmens zu reduzieren. Diese kann natürlich im Zusammenhang mit anderen Überlegungen, etwa der Umweltpolitik nach ISO 14001 und/oder Energiepolitik eines nach ISO 50001 zertifizierten Unternehmens entwickelt werden. Dabei sind die Anforderungen des klimaneutralen Deutschlands als „externes Thema“ im Sinne des Normunterabschnitts 4.1 ISO 14001/ISO 50001 zu betrachten.

Die THG- / CO2-Emissionsbilanz

Egal, in welchem Zusammenhang eine Klimaschutzstrategie erarbeitet wird, die Grundlage für die Strategie ist eine THG- oder CO2-Emissionsbilanz. Mit dieser können Handlungsfelder identifiziert werden, um Unternehmen klimaneutral zu machen. Die THG- oder CO2-Emissionsbilanz (Carbon Footprint) beschreibt alle klimawirksamen Emissionen eines Unternehmens, eines Produkts oder einer Aktivität innerhalb eines definierten Rahmens (z.B. Geschäftsjahr, eigene Produktionsstandorte, etc.). Damit können Unternehmen einschätzen, wie klimafreundlich das untersuchte Objekt ist und Maßnahmen zur Vermeidung und Reduktion von Treibhausgas-Emissionen ableiten.

Aufbauend auf dieser Bilanz sollte jetzt eine Klimaschutzstrategie – natürlich unter Betrachtung der mit dem Klimaschutz verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen sowie der Anforderungen relevanter interessierter Kreise – formuliert werden. Zu den Risiken und Chancen zählen z.B. politische Risiken durch schwierig zu erreichende Reduktionsvorgaben, höhere CO2-Bepreisung, Marktrisiken aufgrund veränderten Kundenverhaltens oder Chancen, sich als Vorreiter zu profilieren. Die relevanten Themen und Anforderungen interessierter Kreise sollten eigentlich aus dem Energie- sowie Umweltmanagement schon bekannt sein.

Die Klimaschutzstrategie könnte auch die Grundlage für eine – idealerweise in die Energie- und Umweltpolitik integrierte – Klimaschutzpolitik sein, mit der die strategischen Ziele des Unternehmens vorgeben werden. Diese könnte z.B. die Beachtung der Hierarchie, Vermeiden und Reduzieren von THG-Emissionen vor Kompensieren oder auch ein Bekenntnis zu so genannten „Science Based Targets“ sein. Das sind Klimaziele, die sich an Zielen des „Pariser Übereinkommens“ bzw. an diesem ausgerichteten Klimaschutzgesetz (KSG) orientieren.

Was ist das „Pariser Übereinkommen“?

Das „Pariser Übereinkommen“ ist ein auf dem „Klimagipfel“ (offiziell: Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention) 2015 in Paris beschlossenes und mittlerweile von 195 Vertragsparteien unterzeichnetes völkerrechtliches Übereinkommen, um das Klima zu schützen. Die Unterzeichner binden sich an die Vereinbarung, die Erwärmung der Erde auf unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Damit verpflichtet sich die EU, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu darf nur noch eine bestimmte Menge an Treibhausgasen freigesetzt werden. Diese Mengen und die Verteilung der Mengen auf die einzelnen Unterzeichner sind im Pariser Übereinkommen aber nicht verbindlich festgelegt, so dass hinter den „Science Based Targets“ immer Annahmen über den Beitrag einzelner Sektoren stehen. Mindestanforderungen sind aber die im Rahmen des Pariser Übereinkommens eingereichten Selbstverpflichtungen der Unterzeichnerstaaten und deren rechtliche Umsetzung. In Deutschland sind das also die Emissionsgrenzen für einzelne Sektoren im Klimaschutzgesetz.

Klimaschutzziele festlegen

Konkrete, messbare Klimaschutzziele könnten sich z.B. bei einer Selbstverpflichtung zu „Science Based Targets“ in der Klimapolitik am Rückgang der Emissionen orientieren. Unabhängig davon ist es auch möglich, neben oder anstatt Zielen für die Verminderung der Treibhausgasemissionen des Unternehmens (des Corporate Carbon Footprints, CCF) auch Ziele für die THG-Emissionen von Produkten (Product Carbon Footprint, PCF) festzulegen. Hierbei ist dann der gesamte Lebenszyklus des Produktes, von den Rohstoffen und deren Beschaffung bis zur Entsorgung am Ende des Produktlebens zu berücksichtigen. Eine Verifizierung kann nach DIN EN ISO 14064-2 erfolgen.


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Streitfall Klimaneutralität – Ein Beispiel aus der Praxis

Dass der Begriff „Klimaneutralität“ nicht ganz unproblematisch ist, zeigte sich im Jahr 2021, als die Verbraucherschutzorganisation „Foodwatch“ den Handelskonzern REWE der „dreisten Klimalüge“ bezichtigte. REWE hatte Hähnchenbrustfilets ihrer Eigenmarke Wilhelm Brandenburg als „klimaneutral“ gekennzeichnet. Foodwatch ging es dabei um zwei Dinge:

  • Grundsatzkritik: Eine pflanzenbasierte Ernährung sei deutlich klimafreundlicher als Hähnchenfleisch. Hier geht es auch um die Vermeidbarkeit bzw. Nicht-Vermeidbarkeit von Emissionen. Diese wären vermeidbar, wenn man kein Hähnchenbrustfilet mehr produzieren würde, eine Kompensation kommt hier also gar nicht in Frage. Dahinter steht die Frage, welche Opfer wir bringen wollen oder müssen, um die Klimaneutralität zu erreichen – wie sie sich analog ja etwa auch beim Ausbau der Windkraft oder von Stromleitungen stellt.
  • Praktische Kritik: Die mit der Produktion der Hähnchenbrustfilets verbundenen Treibhausgasemissionen würden mit einem Klimaschutzprojekt in Peru ausgeglichen, das den Wald dort und damit auch das Klima nicht schütze. Die Entwaldung dort habe nach Projektbeginn sogar zugenommen. Der von REWE mit der Klimaschutzkompensation beauftragte Anbieter „Climate Partner“ widersprach der Foodwatch-Darstellung: Das Projekt in Peru sei nach dem seriösen „Verified Carbon Standard“ (VCS) zertifiziert und warf Foodwatch vor, es mangele der Organisation an genereller Expertise zu Klimaschutzprojekten.

Ob im Fall REWE die Foodwatch-Grundsatzkritik berechtigt ist, muss jeder für sich entscheiden. Es zeigt aber exemplarisch die Sprengkraft an, die in „nicht vermeidbaren Emissionen“ steckt. Dahinter steht also nicht nur eine technische, sondern auch eine (unternehmens-)politische Frage.

Das war jedoch nicht der einzige Fall, in dem die Verwendung des Begriffs „Klimaneutralität“ Streit auslöste. Die Wettbewerbszentrale (ein unter anderem von den Industrie- und Handelskammern und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft getragener Verein, der den lauteren Wettbewerb fördern soll) mahnte in zahlreichen Fällen Unternehmen wegen irreführender oder intransparenter Werbung mit dem Begriff „Klimaneutralität“ ab.

 


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