Lieferantenrisiken müssen bekannt sein und gemanagt werden, um eine stabile und zuverlässige Lieferantenbasis gewährleisten zu können. „Corona lässt Lieferketten kürzer werden.“ Dies war eine von vielen Schlagzeilen während der Corona-Pandemie und machte das Zusammenbrechen der Supply Chain durch das Coronavirus SARS-CoV-2 zum Thema. Viele Unternehmen hatten ihre breite stabilisierende Lieferantenbasis der Kosteneffizienz geopfert und sich auf einige wenige Lieferanten in Fernost fokussiert. Nun mussten deren Einkaufsleiter schmerzhaft erfahren, „der Preis ist nicht das höchste Gut. Die Verfügbarkeit ist für das Unternehmen in diesen Zeiten wichtiger“. Unternehmen mussten sich also neu aufstellen – für mehr Krisensicherheit, für mehr Widerstandskraft und gezwungenermaßen auch für mehr soziale und ökologische Nachhaltigkeit bei der Beschaffung.
Mit dem Beschluss eines EU-weiten Lieferkettengesetzt (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikel sollte das EU-Lieferkettengesetz im Jahr 2023 verabschiedet werden) werden die Punkte soziale und ökologische Nachhaltigkeit bei der Anschaffung sowieso ein Muss für Unternehmen. Unternehmen, die Schäden an den Menschen und der Umwelt in ihrer Lieferkette verursachen oder in Kauf nehmen, müssen in Zukunft dafür haften. Auch in Deutschland gilt seit dem 1. Januar 2023 das deutsche Lieferkettengesetz. Somit finden wir viele wichtige Punkte, die uns dazu bewegen sollten, frühzeitig unser Lieferantenrisiko zu managen. Wie Sie dies in Ihrem Unternehmen umsetzen können, zeigen wir Ihnen im Folgenden auf.
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Wie kann die Risikobewertung von Lieferanten erfolgen?
Unternehmen sind gut beraten, wenn sie sich umfassend mit ihren Lieferantenrisiken sowie dem damit verbundenen Risikomanagement und Lieferantenmanagement beschäftigen. Denn auch nach einer zumindest teilweisen Rückverlagerung der Bezugsquellen in den europäischen Wirtschaftsraum bleiben noch ausreichend viele Risiken übrig, die beim Eintreten erhebliche Betriebsunterbrechungen zur Folge haben könnten. Eine ganzheitliche Vorgehenssystematik hilft, Lieferbeziehungen zu sichern und Versorgungsengpässe zu verhindern. Sinnvolle Schritte umfassen hierbei die folgenden Aspekte:
- Identifikation der Schwerpunkte
- Risikoidentifizierung
- Risikobewertung
- Notfallpläne und Maßnahmenplanung mit Risikoüberwachung
Zuerst gilt es die Schwerpunkte zu erkennen
Nicht alle zu beschaffenden Lieferumfänge wirken sich in der gleichen Weise auf den Produktionsprozess aus, wenn es zu Problemen bei der Lieferung kommt. Deshalb gilt es im ersten Schritt, die Güter zu definieren und zu priorisieren, welche zeitkritisch, regelmäßig, in besonders hoher Qualität oder in großer Menge benötigt werden. Denn kommt es bei diesen Materialien zu Engpässen oder Verzögerungen, droht am schnellsten der Stillstand. Die Grundlage dieses Vorgehens ist die sogenannte Pareto-Analyse oder auch ABC-Analyse genannt. Die 20 % an identifizierten A-Gütern vom Gesamtumfang verursachen typischerweise 80 % der Risiken für die Betriebsunterbrechung.
Risikofelder systematisch identifizieren
Zur systematischen Ermittlung der vorhandenen Lieferantenrisiken bietet sich eine lieferantenspezifische Risikocheckliste an. Die folgenden Kriterien eignen sich hierfür gut als übergeordnete Suchfelder, d.h. als Risikobereiche:
- Qualitätsrisiko
- Mengenrisiko
- Anlieferrisiko
- Rechtliches Risiko
- Politisches Risiko
- Wirtschaftlichkeitsrisiko
Befindet sich der Standort des Lieferanten auf gemäßigten Breitengraden, ist es trotz des Klimawandels mit der Zunahme von Extremwetterlagen weniger wahrscheinlich, dass der Lieferant aufgrund von Wetterschäden nicht mehr produzieren kann. Anders sieht es natürlich aus, falls sich das Unternehmen in einem Hochwassergebiet befindet. Gleiches gilt für den Warentransport. Haben die Güter einen kurzen Transportweg, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie pünktlich und unversehrt ankommen. Doch, wie sieht es bei der Anlieferung auf dem Seeweg aus? Was ist, wenn das Schiff nicht in den Hafen einlaufen darf oder, bleiben wir bei unserem Wetter-Beispiel, wenn Container auf hoher See im Sturm verloren gehen? Aber auch die Beeinträchtigung der Binnenschifffahrt durch Niedrig- oder auch durch Hochwasser, die Blockierung von Schienen und ähnliches sind Beispiele für die Risikoermittlung. Die Tabelle zeigt Ihnen noch weitere Beispiele auf.
Risikobewertung von Lieferanten anhand von Faktoren
Bereits bei der Ermittlung des Lieferantenrisikos wird die Notwendigkeit deutlich, diese objektiv zu bewerten. Dies muss für die A-Güter lieferantenspezifisch, d.h. bezogen auf den oder die Lieferanten erfolgen. Die Fragesystematik lautet:
1. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein in der Tabelle dokumentiertes Szenario wirklich eintritt?
2. Welcher Schaden würde entstehen, wenn es eintritt.
Für das Beispiel der Wetterprobleme kann man zur Beantwortung der ersten Frage mit Wetterdatenbanken arbeiten. Die zweite Frage muss man dann mit dem Blick auf die Folgen für den Prozess intern beantworten.
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Strategische Notfallpläne und Maßnahmenplanung zur Reduzierung von Lieferantenrisiken
Mittels Matrix kann nun ein Ranking der risikoreichsten Lieferanten durchgeführt werden. Folgende Logik gilt dabei: Je höher die Wahrscheinlichkeit für das prognostizierte Szenario ist und je größer die Auswirkung auf den Herstellungsprozess sind, desto dringender müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Diese Aktivitäten sind natürlich nichts Einmaliges, sondern müssen vielmehr flankierend erfolgen. Änderungen der Lieferantensituation – und damit auch vom Lieferantenrisiko – müssen umgehend aktualisiert und neu bewertet werden. Wichtig ist zu wissen: Eine gute Risikobewertung der Lieferanten und die richtigen Strategien beim Risikomanagement haben nicht nur positive finanzielle Auswirkungen sondern sichern auch die Prozesse des Unternehmens.
Das Lieferantenrisiko macht Unternehmen anfällig für Störungen
Eigentlich können Betriebsunterbrechungen viele unterschiedliche Ursachen haben. Zum einen können diese innerhalb des Unternehmens durch Unfälle oder technische Probleme entstehen oder durch externe Ursachen wie Naturkatastrophen oder konjunkturellen Risiken ausgelöst werden. Durch das Ausgliedern von ehemals internen Tätigkeiten eines Unternehmens hat sich die Wertschöpfungstiefe jedoch dramatisch reduziert und es erfolgte die Verlagerung der Herstellung nach außen. Deshalb ist nun insbesondere die Lieferkette eines Unternehmens anfällig für Störungen. Somit bilden Lieferantenrisiken mehr und mehr das Hauptrisiko einer Betriebsunterbrechung. Gerade die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Situation hat uns vor Augen geführt, wie problematisch es ist, wenn Lieferanten aufgrund eines umfangreichen Lockdowns nicht mehr liefern können.
Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire erklärte, dass die Corona-Pandemie eine „unverantwortliche und unvernünftige“ Abhängigkeit von China offenbart hat. Handelsbeziehungen müssten neu gedacht werden. Der Binnenmarkt der EU wird an Relevanz gewinnen, um Versorgungssicherheit und Stabilität durch kürzere Lieferketten zu erlangen. Dass der regionale Markt bzw. der Binnenmarkt weniger von der Corona-Krise beeinflusst wurde, zeigt sich im Nahrungsmittelsektor. Hier konnten die Hersteller und die Transporteure im Prinzip das vorherige Niveau aufrechterhalten. Lebensmittelgeschäfte und Supermärkte konnten während des Lockdowns geöffnet bleiben und die Versorgung der Bürger gewährleisten.
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