Wie entwickelte sich das Abfallrecht in Deutschland?

Das Abfallrecht in Deutschland entwickelte sich vom Abfallgesetz in den 70ern bis zum heutigen Kreislaufwirtschaftsgesetz. Doch der Weg zum heutigen Kreislaufwirtschaftsrecht war lang. Mit der industriellen Massenproduktion im Zuge des „Wirtschaftswunders“ nahm in den 1950er und 1960er Jahren die Abfallmenge in Deutschland stark zu. Die Ablagerung der Abfälle fand damals zu größten Teil einfach irgendwo in der Landschaft statt. Als Reaktion hierauf gab es in den frühen 1970er Jahren erste gesetzliche Regelungen zur geordneten Deponierung von Abfällen. Als diese sichergestellt war – und zudem inspiriert von der Ölkrise 1973 – geriet die Nutzung der in den Abfällen enthaltenen Rohstoffe (und ihr Energiegehalt) in den Fokus der Gesetzgebung in der europäischen Gemeinschaft (EG) und auch in Deutschland. Dies führte zum Entstehen des heutigen Kreislaufwirtschaftsrechts. Wir zeigen Ihnen die Anfänge vom Abfallrecht bis hin zum 1994 entstandenen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz auf.

Die Anfänge des Abfallrechts in Deutschland

Seit den Anfängen der Menschheit wurden Abfälle in der Natur – auf der Straße oder in Flüssen – entsorgt. Das hatte natürlich einige Nachteile wie die Ansammlung von Ungeziefer, schlechte Gerüche oder die Verbreitung von Krankheiten. Die Menschen mussten also etwas dagegen tun. Hier kam das Abfallrecht ins Spiel.

Berlin erfand 1895 die Mülltonne. Ein Transport von „Haus- und Wirtschaftsabgänge[n]“ durften nur noch „in völlig undurchlässigen, geschlossenen Behältern" stattfinden. Proteste gegen die Ablagerung vom Müll aus Hamburg führten dazu, dass die Stadt (nach englischen Vorbildern) die erste deutsche Müllverbrennungsanlage baute. Im Zweiten Weltkrieg gab es Versuche, im Zuge der Autarkiebestrebungen Altmaterialien verstärkt zu verwerten, wodurch das Abfallaufkommen verringert wurde. Nach dem Krieg schien das aber bald nicht mehr nötig. Mit der Massenproduktion und dem Massenkonsum im Zuge des „Wirtschaftswunders“ stieg das Abfallaufkommen rasant und die nach wie vor für die Müllbeseitigung zuständigen Kommunen waren überfordert. Im Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 hieß es: „Gegenwärtig werden noch mehr als 90 % aller Abfälle, genau wie vor hundert Jahren, ohne besondere hygienische Vorsichtsmaßnahmen irgendwo im Gelände abgelagert.“

Die ungeordnete Ablagerung führte zu Gesundheitsgefährdungen durch Ungeziefer, Krankheitserreger und Giftstoffe, Verunreinigung von Grundwasser, Gestank und Luftverunreinigung durch Schwelbrände und Beeinträchtigungen. Außerdem zerstörte der achtlos im Gelände verstreute Müll auch das Landschaftsbild. Dies stellte der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in seinem ersten Umweltgutachten 1974 fest. Ein Abfallrecht war also unvermeidbar.



Das Abfallbeseitigungsgesetz als erstes Umweltgesetz des Abfallrechts

Nachdem ab 1971 bereits einige Bundesländer Landesgesetze zur Abfallbeseitigung beschlossen hatten, folgte 1972 mit dem Abfallbeseitigungsgesetz das erste bundesdeutsche Umweltgesetz. Ziel war vor allem eine geordnete Deponierung der Abfälle. Diese sollten zukünftig nur noch in dafür bestimmten, zugelassenen und überwachten Anlagen beseitigt werden. Die Sanierung bestehender Deponien sollte nach dem Verursacherprinzip auf Kosten der Betreiber gehen. Die Pflicht zur Sammlung zumindest der Haushaltsabfälle wurde den Kreisen und kreisfreien Städten übertragen. Die Beseitigung von Gewerbeabfällen konnten diese aber ausschließen und dazu die Abfallbesitzer verpflichten. Das geschah auch in großem Umfang. Zur „ordnungsgemäßen Beseitigung“ waren die Betriebe, wie der SRU in seinem Umweltgutachten 1974 feststellte, oft nicht in der Lage und Dritte, die sie hätten beauftragen können, standen „sehr oft nicht zur Verfügung“. Das führte zu zahlreichen „Giftmüll-Skandalen“ aufgrund illegaler Entsorgung des gefährlichen industriellen Abfalls. In der Folge kam es mancherorts (etwa in Hessen) zur Gründung von Gesellschaften zur Industriemüll-Beseitigung mit Landesbeteiligung.

Die Entwicklung des Abfallrechts in Deutschland - Die Anfänge bis 1994

Im Rahmen des Abfallrechts gab es 1977 eine neue Fassung des Abfallbeseitigungsgesetzes. Erwähnung fand nun auch das – in Folge der Ölkrise von 1973 wiederentdeckte und bereits 1975 in einem Abfallwirtschaftsprogramm verankerte – Ziel der Ressourcenschonung. So sollte der neu eingeführte Betriebsbeauftragte für Abfall auch auf die Einführung von Verfahren zur Reduzierung und Wiederverwendung von Abfall hinwirken. Das Gesetz blieb mit zwei weiteren Novellen zur Beseitigung erkannter Probleme beim Umgang mit Klärschlämmen und bei der Kontrolle grenzüberschreitender Abfallbeseitigung bis 1986 in Kraft. Es trug wesentlich zur Verringerung von vorher etwa 50.000 ungeordneten Abfalldeponien auf wenige hundert geordnete Deponien bei.

Warum wurde das Abfallbeseitigungsgesetz zum Abfallgesetz geändert?

Die geänderte Zielsetzung der Nachfolgeregelung des Abfallbeseitigungsgesetzes wird schon im Titel deutlich. Es ging darum, den Abfall möglichst zu vermeiden oder (stofflich oder energetisch) zu verwerten. Damit kam nun das Vorsorgeprinzip verstärkt zum Tragen. Statt von Abfallbeseitigung sprach das Gesetz von 1986 jetzt von Abfallentsorgung. Dazu gehörte sowohl die Verwertung als auch die Ablagerung von Abfällen. Die Verwertung von Abfällen hatte jedoch Vorrang vor ihrer Ablagerung. Für Reststoffe aus dem Betrieb genehmigungspflichtiger Anlagen war zudem § 5 des 1986 ebenfalls novellierten Bundesimmissionsschutzgesetzes einschlägig, nach dem auch diese vorrangig zu vermeiden und zu verwerten waren. Allerdings betrafen die meisten inhaltlichen Anforderungen des aktuellen Abfallrechts weiterhin die Abfallbeseitigung.

Zur Abfallvermeidung gab es laut Abfallrecht keine konkreten Verpflichtungen, sondern nur eine Verordnungsermächtigung. Diese Verordnungen konnten sich aber primär an Hersteller und Vertriebsunternehmer richten. Für die Vermeidung von Produktionsabfällen aus nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen gab es daher keine Regelung. Auch das Verwertungsgebot war eingeschränkt. Dies galt u.a. nur, wenn für die entstehenden Stoffe oder die anfallende Energie ein Markt vorhanden war. Angesichts starker Marktschwankungen erwies sich dies als erhebliche Einschränkung. Auch enthielt das Gesetz keine Rangfolge für stoffliche und energetische Verwertung.

Wie ging es mit Müllverbrennungsanlagen weiter?

Schon seit den 1950er / 1960er Jahren waren vor allem in den Ballungsgebieten Müllverbrennungsanlagen gebaut worden, um das Müllvolumen zu verringern. Das Abfallbeseitigungsgesetz hatte in den 1970er Jahren mit der Verringerung der Anzahl an Deponien für einen neuen Schub gesorgt. Anfänglich hatte man sich um die Emissionen der Müllverbrennungsanlagen kaum gekümmert. Dies ändert sich jedoch, als beim Chemieunfall im italienischen Seveso 1976 bekannt wurde, dass auch in Müllverbrennungsanlagen bei der Verbrennung chlorhaltiger Abfälle Dioxine und andere Schadstoffgruppen wie Schwermetalle entstanden.

Neue Vorschriften im Luftreinhalterecht führten dazu, dass auch Müllverbrennungsanlagen – sowohl öffentliche als auch industrieeigene (einschließlich der [Mit-]Verbrennung von Abfällen in anderen Öfen) – mit einer Abluftreinigung ausgestattet werden mussten. Ebenfalls 1986 waren die relevanten Grenzwerte in der novellierten TA Luft neu festgelegt worden. Diese hielt der SRU schon 1990 in einem Sondergutachten „Abfallwirtschaft“ für „nicht mehr ausreichend“. Da die Verbrennung von Abfällen zudem vor allem aufgrund der notwendigen Vorbereitung, der Abluftreinigung und der Entsorgung der Rückstände die Kosten der Abfallentsorgung stark steigen ließ, blieb sie umstritten.

Die Vorschriften aus der Abfallverbringungsverordnung von 1988 regelte den Abfallexport neu. 1989 wurde daraufhin die „Basler Konvention“ unterzeichnet. Diese gibt vor, dass Importstaaten über giftige Abfälle zu unterrichten sind und über die Zulässigkeit der Einfuhr entscheiden. 1990 wurde eine Abfallbestimmungs-Verordnung erlassen, mit der besonders überwachungsbedürftige Abfälle, die die alten Sonderabfälle ablösten, bestimmt wurden. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik war zudem ein altes Thema aus dem Abfallrecht wieder aktuell geworden: in der DDR gab es zahlreiche ungeordnete Deponien. Mit dem Ende des SERO-Recyclingsystems stiegen zudem die Abfallmengen dort stark an. Ende 1990 wurden mit der 17. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz neue, strengere Grenzwerte für die Müllverbrennung festgelegt. Der Grenzwert für Dioxine betrug jetzt 1 ng/m³ Abluft statt zuvor 1 mg. Dennoch blieb die Kritik. Diese führte 1994 zur nächsten Richtlinie, dem Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz (KrWG/AbfG).

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz und Abfallgesetz von 1994

Der im (zum 1.10.1996 in Kraft getretenen) Gesetz nicht definierte neue Begriff „Kreislaufwirtschaft“ bedeutet, dass die in den Wirtschaftskreislauf eingebrachten Stoffe möglichst lange in diesem verbleiben sollten. Das heißt, dass Abfälle mit Priorität zu vermeiden sind. Unvermeidlicher Müll sollte recycelt und als Sekundärrohstoffe wiederverwendet werden. Neu im Abfallrecht eingeführt wurde vor dem Hintergrund der Europäischen Abfallrichtlinie 91/156/EWG der erweiterte europäische Abfallbegriff und die vorherige Trennung zwischen Abfällen und Reststoffen wurde aufgehoben. Abfälle waren laut EG jetzt alle beweglichen Sachen, „deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss“.


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Was besagt die Produktverantwortung für Hersteller?

Entsprechend dem Kreislaufgedanken wurde in den §§ 22 ff. KrWG/AbfG die Regelungen zur Produktverantwortung der Hersteller festgeschrieben. Die Gestaltung der Erzeugnisse sollte gemäß Abfallrecht so erfolgen, dass bei ihrer Herstellung und ihrem Gebrauch das Entstehen von Abfällen verhindert und die umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung des nach dem Gebrauch entstehenden Mülls sichergestellt ist. Auch gehörte zur Produktverantwortung der vorrangige Einsatz verwertbarer Abfälle oder von Sekundärrohstoffen bei der Herstellung von Erzeugnissen. Die Konkretisierung dieses allgemeinen Grundsatzes erforderte aber weiterhin Rechtsverordnungen. Eine erste Verordnung war – nachdem freiwillige Vereinbarungen die Situation nicht verbessert hatten – 1991 mit der Verpackungsverordnung erlassen worden, die eine Rücknahme, erneute Verwendung oder stoffliche Verwertung von Verpackungen einführte. Damit fand eine deutliche Verringerung der Menge des Hausmülls statt. Allerdings führte die Verordnung kaum zu einer Vermeidung von Verpackungen, sondern zu deren stofflichen Verwertung, überwiegend im Ausland. Der Mehrweganteil bei Getränkeverpackungen ging sogar zurück, woraufhin 1998 eine Mehrwegquote eingeführt wurde.

1998 traten zudem die Altautoverordnung, die Batterieverordnung sowie die Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte im Rahmen des Abfallrechts in Kraft. Die Erzeuger großer Abfallmengen wurden mit den Regelungen aus dem KrWG/AbfG zur Erstellung von Abfallwirtschaftskonzepten über die Rücknahme, Vermeidung, Verwertung und Beseitigung ihrer Abfälle und von Abfallbilanzen, mit denen Art, Menge und Verbleib der Abfälle dokumentiert wurden, verpflichtet. Die Verwertung von Gewerbeabfällen blieb aufgrund von Möglichkeiten zur ausgesprochen preiswerten Abfalldeponierung eingeschränkt.


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Das Abfallrecht – wie alles begann

Frühe Wurzeln des Abfallrechts finden sich schon in der Bibel. Moses verordnete dem Volk Israel „Du sollst draußen vor dem Lager einen Platz haben, wohin du zur Notdurft hinausgehst … und wenn du gesessen hast, sollst du zuscharren, was von dir gegangen ist.“ (5. Buch Mose 23, 13 u. 14). Angesichts der überwiegend organischen Natur der Abfälle reichte es, Belästigungen zu vermeiden – für die "Entsorgung" der Abfälle sorgte die Natur.

Das blieb im Prinzip auch so, als die Bevölkerungsdichte zunahm und immer mehr Menschen in Dörfern und Städten lebten. Die Menschen warfen Essensreste, menschliche Exkremente und anderen Müll einfach aus dem Fenster, der Regen spülte sie dann aus der Siedlung. Besonders unangenehme Abfälle sollten direkt in Flüsse eingebracht werden – so etwa die Abfälle der Kürschner und Pergamenthersteller in Nürnberg. Der Selbstreinigungskraft des Wassers wurde zutraut, mit den Abfällen fertigzuwerden. Bis der Regen den Müll wegspülte, lockten sie aber Ungeziefer an und verbreiteten üble Gerüche, die nach der damals vorherrschenden „Miasmen-Theorie“ als Ursache von Krankheiten galten.

So fingen zunächst die großen Städte an, sich um die Abfallentsorgung zu kümmern. Schweine sollten die Lösung sein. Sie sollten die Müllmenge reduzieren, produzierten jedoch selbst Mist. Dieser wurde in Jauchegruben gesammelt und von Fuhrleuten entleert. Später begannen die Städte dann, die Müllabfuhr zu organisieren, das Einbringen fester Stoffe in Flüsse wurde vielerorts (nachdem es zu Umweltproblemen wie dem „great stink“ in London 1857 beigetragen hatte) verboten.

 


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