ISO-Amendment - Berücksichtigung des Klimawandels in ISO 9001, 14001, 45001 und 50001

Im Februar 2024 ist ein „Amendment“ zur ISO 9001, ISO 14001, ISO 45001 und ISO 50001 erschienen. Das Amendment enthält Änderungen in Bezug auf den Klimawandel bzw. Klimaschutz. Ein ISO-Amendment ändert den Inhalt einer Norm. Die Amendments fordern, dass Unternehmen bei der Kontextbetrachtung prüfen müssen, ob der Klimawandel für das jeweilige Managementsystem ein relevantes Thema ist. Als neue Anmerkung im Unterabschnitt 4.2 wird darauf hingewiesen, dass relevante interessierte Parteien Anforderungen bezüglich des Klimawandels haben können. Da die mit relevanten Themen und den Anforderungen interessierter Parteien verbundenen Risiken und Chancen im Managementsystem zu berücksichtigen sind, haben diese Änderungen potenziell weitere Folgen, die wir in diesem Beitrag betrachten wollen.

Hintergrund: Die ISO „London Declaration“

Bereits im September 2021 hat die ISO-Generalversammlung die „London Declaration“ angenommen. Nach dieser wird die „aktive Berücksichtigung der Klimawissenschaft und der damit verbundenen Übergänge bei der Entwicklung aller neuen und überarbeiteten internationalen Normen und Veröffentlichungen“ gefördert. Nachdem im Jahr 2020 – anlässlich des Überprüfungszyklusses der 2015 erschienen aktuellen Fassung der ISO 14001 – beschlossen wurde, zunächst auf eine Revision der ISO 14001 zu verzichten, wurde die in der „London Declaration“ geforderte Berücksichtigung des Klimawandels bzw. der globalen Erwärmung in der ISO 14001 mit dem Amendment vorgezogen. Die in die ISO 14001 aufgenommenen Texte wurden auch in die ISO 9001 und 45001 (und andere Normen) aufgenommen. Zudem in die für alle neuen Normen zu Managementsystemen verbindlichen Textbausteine der Harmonisierten Struktur (Appendix 2 des Annex SL der ISO/IEC-Richtlinien Teil 1). So werden sie künftig in allen neuen Normen zu Managementsystemen stehen.



ISO-Amendment: Absicht der neuen Anforderungen

Schon bisher gilt ja, dass eine Organisation im Rahmen einer Kontextbetrachtung nach den Unterabschnitten 4.1 und 4.2 die (internen und externen) Themen und die Anforderungen interessierter Kreise bestimmen muss, die die Effektivität ihres Managementsystems (negativ oder positiv) beeinflussen können. Neu durch das Amendment ist, dass dabei in jedem Fall der Klimawandel mit betrachtet werden muss. Für Unternehmen, die das bereits getan haben, bedeutet das ISO-Amendment also keine Änderung; für Unternehmen, die den Klimawandel bisher nicht berücksichtigt haben, bedeutet es aber, dass sie prüfen müssen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf das jeweilige Managementsystem haben kann. Damit soll sichergestellt werden, dass die Folgen dieses aus Sicht der ISO zentralen Themas für das Managementsystem nicht übersehen werden.

Relevanz des Klimawandels

Der Beitrag des Unternehmens zum Klimawandel als Umweltzustand, der durch die Organisation beeinflusst wird, wird wohl in erster Linie im Umwelt- und Energiemanagementsystem zu betrachten sein. Der Klimawandel kann jedoch durchaus auch Auswirkungen auf das Qualitäts- (ISO 9001) oder SGA-Managementsystem (ISO 45001) haben. Zum Beispiel wenn ein Standort von Sturmschäden oder Überschwemmungen betroffen ist. Oder wenn im Sommer aufgrund hitzebedingt fehlenden Kühlwassers die Produktion eingeschränkt wird. Oder wenn die Lieferkette durch (in Folge des Klimawandels häufiger werdende) Extremwetterereignisse unterbrochen wird. Dies alles kann Auswirkungen auf die Termintreue und damit die Kundenzufriedenheit – zentrales Thema der ISO 9001 – haben. Wenn Beschäftigte im Sommer unter Hitze leiden, kann dies zu einem Thema des SGA-Managementsystems nach ISO 45001 werden. Im Qualitäts- und SGA-Managementsystem wird man also eher die „Outside-In“-Perspektive berücksichtigen.

Ebenso ist es möglich, dass interessierte Parteien Anforderungen zum Klimaschutz haben. Viele Automobilzulieferer sind bereits mit Anforderungen zur Klimaneutralität seitens ihrer Kunden (und damit ist es auch eine QM-relevante Anforderung) konfrontiert. Allen Normen ist wieder gemeinsam, dass die Ergebnisse der Kontextbetrachtung und die ermittelten Anforderungen relevanter interessierter Parteien bei der Betrachtung von Risiken und Chancen nach Unterabschnitt 6.1 berücksichtigt werden müssen. Aus den Risiken und Chancen, die sich aus dem Beitrag des Unternehmens zum Klimawandel (ISO 14001, ISO 50001) sowie den Auswirkungen des Klimawandels auf das Unternehmen (ISO 9001, ISO 14001, ISO 45001 und ISO 50001) ergeben, kann sich ggf. – vom Unternehmen zu bewerten – Handlungsbedarf ergeben. Eventuelle Maßnahmen, um unerwünschte Auswirkungen des Klimawandels auf die Organisation zu verhindern oder zu mindern und um erkannte Chancen in Verbindung mit dem Klimawandel zu nutzen, sollten dann in die entsprechenden Unternehmensprozesse integriert werden.

Folgen für die Managementsysteme durch das ISO-Amendment

Schon aufgrund der thematischen Nähe zum Klimawandel sind die größten Auswirkungen des ISO-Amendments bzw. des Klimawandels auf das Umwelt- und Energiemanagementsystem – sofern da Thema dort noch nicht behandelt wird – zu erwarten. Da Energieeinsatz als „Input“ ein Umweltaspekt ist, kommen hier im Grunde genommen schon die rechtlichen Anforderungen aus dem Umwelt- und dem Umweltenergierecht (Emissionshandel, Klimaschutzgesetz, Energieeffizienzgesetz, …) zum Tragen, je nach Unternehmensgröße und -art auch Berichterstattungspflichten wie etwa die aus der CSR-Richtlinie resultierenden.

Das Klimaschutzgesetz mit der Vorgabe der Netto-Treibhausgasneutralität Deutschlands bis 2045 führt zur Notwendigkeit einer drastischen Reduzierung der Treibhausgasemissionen in den nächsten 20 Jahren. Hierzu dienen unter anderem verbesserte Energieeffizienz (Abwärmenutzung …) und Nutzung erneuerbarer Energien. Auch dieses kann Auswirkungen auf das Unternehmen haben („Übergangsrisiken“). Insbesondere trifft es Branchen, wo die technischen Lösungen bisher allenfalls skizziert, aber noch nicht praxisreif sind. Oder wenn die Kosten hierdurch deutlich steigen.

Andere Unternehmen – etwa solche, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die bei dem Übergang auf eine treibhausgasneutrale Welt helfen, haben natürlich hierdurch auch ganz neue Chancen. Aber Chancen können sich auch für andere Unternehmen ergeben. Etwa durch die Nutzung von Fördermitteln, mit denen emissionsarme Energien und Technologien unterstützt werden, der Aufbau einer widerstandsfähigeren Lieferkette etc.

 

 

Risiken des Klimawandels

Im Klimaschutz wird oft zwischen physischen Risiken und Übergangsrisiken unterschieden. Physische Risiken sind Auswirkungen von Klimaereignissen, z.B. von extremen Wetterereignissen. Übergangsrisiken sind Risiken, die sich aus einer Diskrepanz zwischen der Strategie und dem Management einer Organisation und dem sich wandelnden regulatorischen, gesellschaftlichen oder politischem Umfeld ergeben. Auch Entwicklungen, die Schäden am Klima oder an der Natur beenden wollen, können Übergangsrisiken bewirken.

Praxistipp

Bei der Kontextbetrachtung sollte man auch die bestehenden und die absehbaren politischen Regelungen zur Sicherstellung der Treibhausgasneutralität und ihre Auswirkungen auf das Unternehmen sowie möglichen Kundenanforderungen zu dem Thema berücksichtigen. Einen Blick sollte man auch auf Entwicklungen in der Branche, in der das Unternehmen tätig ist, werfen. Solche Entwicklungen können sowohl rechtliche als auch Kundenanforderungen beeinflussen. Bei den physischen Risiken sollte man auch die Lieferkette im Blick haben.

Umweltpolitik

Je nach Ergebnis der Kontextbewertung kann die ggf. erfolgte Einbeziehung des Klimawandels und der mit ihm verbundenen Risiken und Chancen auch Auswirkungen auf die Umwelt- bzw. Energiepolitik haben: diese muss dem Kontext der Organisation angemessen sein. Neue Erkenntnisse zum Kontext sollten daher immer auch zur Überprüfung der Umweltpolitik führen. Selten kann die Kontextbewertung auch zu Änderungen in der Qualitäts- oder – noch seltener – SGA-Politik führen. Wenn Kunden die Klimaneutralität bis zu einem bestimmten Jahr fordern, könnte man dieses Ziel auch in die Qualitätspolitik aufzunehmen. In eine Umweltpolitik oder in eine integrierte Qualitäts-, Energie- und Umweltpolitik sogar noch eher.

Will ein Unternehmen in der Umweltpolitik die „Inside-Out“-Perspektive, also seine eigenen Treibhausgasemissionen adressieren, sollte es etwas zur Priorisierung seiner Maßnahmen sowie zur Einbeziehung der Lieferkette sagen. Empfohlene Rangfolge: Vermeiden vor Neutralisation vor Kompensation, siehe Maßnahmen zur Zielerreichung

Umweltziele

Die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien (zur Vermeidung von energiebedingten Treibhausgasemissionen) oder zur Verringerung der eigenen Treibhausgasemissionen sind „klassische“ Umweltziele. Sie können „Nebenprodukte“ von Energiezielen zur Verbesserung der energiebezogenen Leistung sein.

ISO-Amendment & Klimawandel

In der ISO 14001 sind keine Zeiträume, für die Umweltziele festzulegen sind, angegeben. Viele Unternehmen legen zwar Jahresziele fest, das ist aber keine Normvorgabe. Im Klimaschutz ist es dagegen üblich, sowohl kurz-, mittel- und langfristige Ziele festzulegen. Deren Zeithorizont beträgt 1, 5 oder 10 Jahre und längstens bis 2050. Viele Unternehmen legen ihre mittel- und langfristigen Ziele auch angelehnt an die Vorgaben etwa aus dem Klimaschutzgesetz für die Jahre 2030 und 2045 fest.

Viele Anspruchsgruppen erwarten auch, dass ein Unternehmen sich bei den klimarelevanten Umweltzielen an wissenschaftsbasierten Klimazielen („science based targets“) orientieren. Wenn das im Pariser Übereinkommen von 2015 vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, erreicht werden soll, müssten die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) bis 2030 halbiert werden und alle vermeidbaren Treibhausgasemissionen bis 2050 auch tatsächlich vermieden werden. Das gibt auch den Rahmen für die Emissionsreduktionen vor, wenn ein Unternehmen sich wissenschaftsbasierte Klimaziele setzt. Einen methodischen Rahmen, Tools und Best Practice-Beispiele dazu findet man z.B. bei der Science Based Targets Initiative, SBTi, sciencebasedtargets.org. (Wer jetzt erschreckt: Ob eine Organisation die Anforderungen von Anspruchsgruppen erfüllen will, legt sie weiterhin selber fest. Die neue Anforderung der ISO 14001 weist nur darauf hin, dass es klimabezogene Anforderungen geben kann, verlangt aber nicht ihre Erfüllung.)

Alle unsere YouTube Videos finden Sie hier auf dem YouTube Kanal der VOREST AG!


Maßnahmen zur Zielerreichung

Vergleicht man die Anforderungen an wissenschaftsbasierte Klimaziele mit den tatsächlich in der Praxis erreichbaren Emissionsreduzierungen, zeigt sich, dass Unternehmen alleine die geforderten Emissionsreduzierungen nicht erreichen können. Wer Rohstoff- oder Produkttransporte nicht durch Videokonferenzen ersetzen kann, ist darauf angewiesen, dass es treibhausgasneutrale Angebote gibt . Dies ist z.B. für den Schwerlasttransport oder den Fernlastverkehr nur sehr eingeschränkt der Fall. Daher wird es in vielen Fällen auch bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten – die in der Prioritätenliste des Klimaschutzes ganz oben stehen sollten – nahezu unmöglich sein, den erforderlichen Beitrag durch Vermeiden und Verringern der THG-Emissionen zu erbringen.

Daher kommt die Neutralisation ins Spiel: Darunter versteht man das Entfernen von Treibhausgasen (vor allem Kohlendioxid, CO₂) aus der Atmosphäre. Dazu gehört die naturbasierte Neutralisation, z.B. durch Aufforstung, Renaturierung von Mooren oder CO₂-Bindung in Böden durch humusbindende Landwirtschaft. Ebenso die technologische CO₂-Neutralisation, die derzeit allerdings erst erprobt wird. Das größte Problem bei der natürlichen CO₂-Neutralisation ist die Sicherstellung ihrer Dauerhaftigkeit. Wenn ein zur CO₂-Speicherung angepflanzter Baum etwa später gefällt und als Brennholz genutzt wird oder sich die Bodenbearbeitung wieder ändert, wird das aus der Atmosphäre entfernte CO₂ wieder freigesetzt. Bei der Kompensation werden dagegen Klimaschutzprojekte (etwa zur Verminderung der THG-Emissionen außerhalb der Lieferkette) finanziell unterstützt.

Podcast VOREST AG
 

Kostenloser Podcast -
Klima, Umwelt, Energie und Arbeitsschutz

kostenlose Vorlage zur Erstellung einer Prozessbescheribung
 

Kostenlose Vorlage -
Erstellung einer Prozessbeschreibung

kostenloser E-Learning Kurs Umweltmanagement ISO 14001
 

Kostenloser E-Kurs -
Was ist Umweltmanagement?


Unsere Serviceangebote im Bereich Umweltmanagement ISO 14001


Anprechpartner Kati Schaefer
Sie haben Fragen oder wünschen ein Angebot?
Ich helfe Ihnen gerne weiter!

Kati Schäfer
Produktmanagement Training & PRO SYS
Tel.: 07231 92 23 91 - 0
E-Mail: kschaefer@vorest-ag.de